WRC Rallye Schweden 2024 – Tag 1: Lappi und Katsuta im Sekundenkampf!
Esapekka Lappi übernahm die Führung am ersten Tag der 71. Rallye Schweden 2024 nach einem spannenden Sekundenkampf mit Takamoto Katsuta. Für Kalle Rovanpera und Ott Tänak endete Tag 1 vorzeitig in einer Schneewand. Oliver Solberg komplettierte das Podium am Freitag Abend im Skoda Fabia RS Rally2!
Text: Harald Illmer; Fotos: M-Sport Ford WRT, Hyundai Shell Mobis WRT, Toyota Gazoo Racing WRT
Was für ein spektakulärer Auftakt der 71. Rallye Schweden: Mit einem spannenden Sekundenkampf an der Spitze bei tiefwinterlichen Bedingungen sorgten Esapekka Lappi und Takamoto Katsuta für eine Megashow. Vorzeitig aufgeben mussten hingegen Kalle Rovanperä und Ott Tänak. Die tiefwinterlichen Bedingungen sorgten bei den später startenden Rally2 Boliden für einen klaren Vorteil - Oliver Solberg nutzte seine Startposition und belegte am Freitag Abend den dritten (!) Gesamtrang.
Vor zwei Jahren übersiedelte die Rallye Schweden nach jahrelangen Schneemangel rund um Karlstad und Torsby nach Umeå. Umeå ist die größte Stadt Norrlands in der schwedischen Provinz Västerbottens län und historischen Provinz Västerbotten. Umeå liegt an der Mündung des Flusses Ume älv am Bottnischen Meerbusen und ist Residenzstadt der Provinz mit knapp 83.000 Einwohner.
Einige hundert Kilometer nördlicher gelegen als das langjährige Zentrum der Rallye Schweden in Karlstad war schnell klar, dass das Schneeproblem der Vergangenheit angehören würde. Schnee in Hülle und Fülle sorgten in den beiden Vorjahren rund um Umeå im Vorjahr für ein wahres Wintermärchen. Auch im Vorfeld der diesjährigen Ausgabe zeigten sich ähnliche Bilder. Tiefwinterliche Sonderprüfungen erwarteten die Teams bei der 71. Ausgabe des schwedischen Klassikers. Achtzehn Sonderprüfungen über 300.10 km stehen für die Teams heuer auf dem Programm.
Foto: Toyota Gazoo Racing WRT
Kaum eine Rallye ist bei den Piloten so beliebt wie die Highspeed-Hatz in Schweden. Die speziellen Spikes an den schmalen Pneus sorgen für mehr Haftung auf Eis und Schnee, als es die Crews auf Schotter gewohnt sind. Eine Reifenlotterie wie bei der Rallye Monte Carlo gibt es in Schweden auf keinen Fall. Denn zur Wahl steht genau ein Reifentyp – Spikereifen. Sie sind das Bindeglied zwischen den Boliden und der verschneit-vereisten Rallye-Piste: die speziellen Spikereifen, die ausschließlich in Schweden zum Einsatz kommen. Die Schweden-Spikes sind schmaler als ihre Asphalt- und Schotter-Pendants. Das Allerwichtigste ragt aber um 6,5 Millimeter aus den Profilblöcken heraus – die insgesamt 380 Spikes, die sich in Schnee und Eis sprichwörtlich festkrallen. Sie halten nicht nur Temperaturen von bis zu minus 25 Grad Celsius, sondern auch extrem hohen Geschwindigkeiten stand. Die Rallye Schweden zählt zu den WM-Läufen, deren Durchschnittstempo klar jenseits der 100-Kilometer-pro-Stunde-Marke liegt.
Bereits auf der Auftaktsonderprüfung am Donnerstag Abend konnte der amtierende Weltmeister Kalle Rovanperä bei seinem Comeback – der finnische Youngster absolviert in der Saison 2024 nur ein Teilzeitprogramm in der Rallye Weltmeisterschaft – die klare Bestzeit setzen. Der Toyota-Pilot entschied den spektakulären Auftakt vor einer großen Zuseherkulisse vor seinen Teamkollegen Takamoto Katsuta und Elfyn Evans für sich.
In der WRC-2 dominierte Oliver Solberg. Der Skoda Pilot setzte eine überlegene Bestzeit vor den Toyota-Piloten Roope Korhonen und Sami Pajari. Citroen Pilot Nikolay Gryazin absolviert die Rallye Schweden außerhalb der WRC-2 Wertung und setzte sich im Citroen C3 Rally2 zwischen die beiden Toyotas.
Starker Schneefall war im Laufe des Freitag angekündigt. Für die Teams an der Spitze eine alles andere als erhoffte Prognose.
Foto: M-Sport Ford WRT
Die Auftaktprüfung am Freitag Morgen #42 Brattby – der Name ist eine Hommage an den im Vorjahr tödlich verunglückten Craig Breen. Breen setzte im Vorjahr als „Mayor of Brattby“ die klare Bestzeit auf dieser Prüfung – führte über 10.76 km.
Einige Zentimeter Schnee waren bereits in der Nacht gefallen, morgendlicher Nebel und äußerst schlechte Sicht sorgten für weitere Sorgenfalten bei Thierry Neuville. Als WM-Führender eröffnete der Belgier die Sonderprüfungen am Freitag und fungierte somit als Schneepflug. Extrem hohe Schneewände am Streckenrand sollten bei der diesjährigen Ausgabe der Rallye Schweden noch ihre Rolle spielen. Die von Thierry Neuville vorgelegte Zeit sollte Fahrzeug um Fahrzeug unterboten werden, die freigeräumte Sonderprüfung ließ immer schnellere Zeiten zu.
Kalle Rovanperä als 7. Fahrzeug auf der Strecke nutze seine optimale Startposition dementsprechend aus und baute mit der klaren Bestzeit vor Esapekka Lappi und Ott Tänak seine Führung auf Takamoto Katsuta weiter aus. Der Japaner gab im Ziel zu Protokoll, dass er aufgrund seines Überschlages im Vorjahr auf dieser Prüfung nicht alles riskiert hat.
Oliver Solberg dominierte die WRC2-Wertung auch auf der Auftaktprüfung am Freitag Morgen. Der Skoda-Youngster prügelte seinen Boliden in beeindruckender Manier über die Prüfung und holte sich die Bestzeit vor Sami Pajari und Georg Linnamae.
Einsetzender Regen zum Start der dritten Sonderprüfung verschärfte die Bedingungen weiter. Thierry Neuville hatte auf den ersten Kilometern mehrfach Glück seinen Boliden auf der Piste zu halten. Im Ziel der Prüfung klagte der Belgier über die schlechte Sicht aufgrund Probleme mit seinen Scheibenwischern.
Auch Elfyn Evans hatte das Glück auf seiner Seite, bereits nach wenigen hundert Metern in der Prüfung produzierte der Toyota-Pilot einen Highspeed 360° Grad Dreher – hatte dabei aber das Glück wieder in Fahrrichtung zum Stehen zu kommen. Angesichts der hohen Schneewände hätte dies leicht das vorzeitige Aus für Evans bedeuten können.
Foto: Hyundai Shell Mobis WRT
Ott Tänak legte im Kampf um die Podiumsplätze die erste Top-Zeit vor, Takamoto Katsuta unterbot diese jedoch kurz darauf um 0.1s. Bis kurz vor dem Ziel hatte der Japaner einen klaren Vorsprung bei dem Zwischenzeiten, ein Einschlag in eine Schneewand kostete jedoch Zeit und sorgte für kosmetische Schäden am Toyota Yaris Rally1.
Kalle Rovanperä absolvierte die 12.36 km lange Prüfung 0.8s schneller als Katsuta, zeigte sich im Ziel jedoch unzufrieden. Die Zeit des Finnen reichte diesmal auch nicht für die Bestzeit – Esapekka Lappi unterbot die Zeit von Rovanperä um 1.2s.
Der Schneefall wurde im Verlauf der Prüfung immer stärker und die Sicht dementsprechend schlechter. Oliver Solberg konnte sich in der WRC-2 wieder deutlich gegen seine Verfolger durchsetzen.
Mit einer Länge von über 28 km stellte die dritte Prüfung am Freitag die längste SP des Tages dar. Mit einer Durchschnitsgeschwindigkeit von deutlich über 130 km/h eine absolute Highspeed-Prüfung.
Elfyn Evans distanzierte mit einer ersten Fabelzeit Thierry Neuville um ganze 19.5s. Takamoto Katsuta erreichte das Ziel der Prüfung mit einem deutlich ramponierten Fahrzeug, konnte jedoch die Zeit von Evans um 0.7s unterbieten.
Ein Highspeed-Dreher mit einem sehr harten Einschlag in eine der sehr hohen Schneewände brachte für Ott Tänak das vorzeitige Aus. Der Hyundai-Pilot setzte kurzzeitig seine Fahrt fort, die Schäden an der Front des Boliden waren aber zu stark. Dabei kam es zu einer sehr gefährlichen Situation als Adrien Fourmaux mit Highspeed auf den mit Hilfe des EV-Antriebs über die SP schleichenden Ott Tänak auflief und das Fahrzeug nur sehr knapp verfehlte. Kurz darauf parkte Tänak seinen Boliden ein. Auch Gregoire Munster verlor nach einem Reifenschaden in SP vier mehrere Minuten.
Auch im Kampf um die Führung fiel in der vierten Prüfung eine Vorentscheidung. Kalle Rovanperä beschädigte seinen Toyota Yaris Rally1 bei einem Ausritt in den Schnee erheblich und stellte seinen Boliden kurz darauf ebenso ab.
Foto: Toyota Gazoo Racing WRT
Das neue Duell um die Führung hieß somit Takamoto Katsuta gegen Esapekka Lappi. Der Japaner entschied die vierte Prüfung für sich und übernahm die Gesamtführung. Katsuta erreichte den mittäglichen Service in Umea mit einem Vorsprung von 11.4s auf Esapekka Lappi. Elfyn Evans komplettierte das Podium nach SP 4. (+13.3). Dahinter folgten Adrien Fourmaux und Thierry Neuville in den Top-5.
In der WRC-2 setzte Oliver Solberg seinen beeindruckenden Erfolgsrun fort. Mit der Bestzeit auch in SP 4 führte der Skoda-Pilot die Gesamtführung nach der ersten Schleife am Freitag mit einem Vorsprung von 19. 7s auf Sami Pajari an.
Der Schneefall intensivierte sich im Laufe des Tages immer mehr. Auch beim Re-Run in Brattby war die Sicht äußerst bescheiden. Thierry Neuville absolvierte den zweiten Durchgang um mehr als 1:10 Minuten langsamer als am Vormittag – dies sagt alles über die Bedingungen aus. Besonders die ersten Fahrzeuge in der Prüfung sollten dies zu Spüren bekommen.
Der Führende Takamoto Katsuta knallte in Brattby einen unglaubliche Zeit in den Schnee und absolvierte SP 5 um unglaubliche 15.7s schneller als der zuvor gestartete Adrien Fourmaux. Elfyn Evans verlor knapp 18.7s auf den Japaner. Thierry Neuville büßte als erstes Fahrzeug in der Prüfung gleich mehr als 35s ein.
Einzig Esapekka Lappi konnte im Kampf um die Führung mit dem Japaner mithalten und schaffte es sogar die Zeit des Toyota-Piloten um ganze 6.1s zu unterbieten. Die Differenz im Kampf um die Führung betrug nun 5.3s.
Die sich nun verbessernden Bedingungen erlaubten gar Gesamt-Bestzeiten durch Rally2-Boliden. Oliver Solberg setzte als Erster eine schnellere Zeit als die Rally1-Fahrzeuge, Georg Linnamae konnte die Zeit von Solberg sogar noch unterbieten. Ganze 8 Rally2 Boliden klassierten sich in den Top-Ten der SP 5 Zwischenwertung.
Auch in der Gesamtwertung schob sich Solberg mit dem Skoda Fabia RS Rally2 auf P5 nach vorne und überholte Thierry Neuville.
Die sechste Sonderprüfung begann mit einer Schrecksekunde für Thierry Neuville. Vor dem Start konnte der Belgier seinen Boliden nicht mehr starten. Erst nach einigen Minuten konnte der Hyundai-Pilot in die Prüfung starten. Dies bedeutete für Elfyn Evans nichts Gutes: Nun musste der Toyota-Pilot die ungewollte Rolle des Schneepflugs in der tiefverschneiten SP6 übernehmen. I
Für Thierry Neuville sollte die Pechsträhne in SP 6 noch nicht Enden. Nach wenigen Kilometern in der Prüfung löste sich die Motorhauben-Halterung auf der linken Seite und behinderte die Sicht.
Foto: M-Sport Ford WRT
Die Zeiten purzelten als Takamoto Katsuta im Kampf um die Führung mit Esapekka Lappi die zuvor gefahrenen Zeiten der Konkurrenz deutlich unterbot. Mit einem Vorsprung von 18.8s auf Adrien Fourmaux legte der Japaner die Zeit für den Finnen vor. Dieser konnte jedoch abermals eine deutlich schnellere Zeit für sich verbuchen und SP 6 um 5.0s schneller absolvieren. In der Gesamtwertung schmolz der Vorsprung von Katsuta auf Lappi auf nur mehr 0.3s.
Auch in SP 6 spielten die Rally2-Boliden wieder ihre Karten aus und platzierten sich mitten zwischen den Rally1-Fahrzeugen. Oliver Solberg baute seine Führung in der WRC-2 mittlerweile auf 25.1s auf Sami Pajari aus.
Bereits bei Dunkelheit startete der zweite Durchgang in Floda. Elfyn Evans kämpfte sich abermals als Erster durch die tiefverschneite Winterlandschaft und hatte bereits kurz nach dem Start bei einem Ausritt in eine Schneebank viel Glück.
Unglaubliche Onboard-Aufnahmen zeigten den Kampf auf der Highspeed-Prüfung im Kampf gegen den Tiefschnee. Das spannende Duell um die Führung zwischen Esapekka Lappi Und Takamoto Katsuta entwickelte sich zum Krimi um Zehntelsekunden. Takamoto Katsuta legte vor und hatte bei einem Ausritt in eine Schneewand viel Glück. Dennoch konnte der Japaner eine um 22s schnellere Zeit als die zuvor gestartete Konkurrenz verbuchen. Esapekka Lappi riskierte nun alles und holte sich nicht nur die Bestzeit in der siebten Prüfung sondern auch die Führung in der Gesamtwertung. Mit 1.8s Vorsprung auf den Japaner übernahm der Finne P1.
Oliver Solberg setzte seine überragende Leistung fort und konnte nicht nur seine Führung in der WRC-2 Wertung ausbauen, sondern mit der dritten Gesamtzeit in SP 7 auch P3 in der Gesamtwertung (!!!) hinter Esapekka Lappi und Takamoto Katsuta übernehmen.
Den Abschluss des Tages bildete wie am Vorabend die Superspecial Umea Sprint. Die Zuseherprüfung bot abermals eine grandiose Show. Esapekka Lappi setzte seinen Erfolgsrun am Nachmittag fort und holte sich auch in SP 8 die Bestzeit vor Takamoto Katsuta.
Mit einem Vorsprung von 3.2s auf den Japaner beendete der finnische Hyundai-Pilot den Freitag Abend als Führender. Oliver Solberg komplettierte das Podium als Führender der WRC-2 Wertung im Skoda Fabia RS Rally2.
Adrien Fourmau, Elfyn Evans und Georg Linnamae folgten in den Top-6 am Freitag Abend.
Ergebnisse:
Stand nach dem 1. Tag:
01. Lappi / Ferm, Hyundai i20 N Rally1 58:18.8
02. Katsuta / Johnston, Toyota GR Yaris Rally1 +3.2
03. Solberg / Edmondson, Skoda Fabia RS Rally2 +1:20.7
04. Fourmaux / Coria , Ford Puma Rally1 +1:26.3
05. Evans / Martin, Toyota GR Yaris Rally1 +1:50.0
06. Linnamae / Morgan, Toyota GR Yaris Rally2 +1:50.1
07. Pajari / Mälkönen, Toyota GR Yaris Rally2 +2:05.8
08. Heikkilä / Temonen, Toyota GR Yaris Rally2 +2:19.0
09. Korhonen / Viinikaa, Toyota GR Yaris Rally2+2:33.6
10. Joona / Hussi, Skoda Fabia RS Rally2 +2:45.7
Sieben Sonderprüfungen über 125.96 km stehen am Samstag auf dem Programm.
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